Spiritualität
Das kosmische Herz von Gertrud Emde.
Spiritualität = ~ gelebter, umgesetzter Glaube
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz
1
Relevanz und Kernthesen
◙ Relevanz: Wer an einen letzten Grund glaubt,
wird sich auch fragen, wie er diese Haltung im Alltag umsetzt.
◙ Kernthesen: Bekomme ich nicht auf die Reihe.
Es gibt über 30 Definitionen von Spiritualität –
ein Container-Begriff.
Die ersten beiden Sprüche (bei 5) sind Annäherungen.
2
Spiritualität und Gottesbild in Zukunft
Hans Küng
Auszug aus Buch: Theologie im Aufbruch, 1987
Auch Christen können nicht beanspruchen, ihn,
den Unbegreiflichen zu begreifen, ihn, den Unerforschlichen,
erfasst zu haben. Auch im christlichen Glauben erkennen wir
nach Paulus die Wahrheit selbst, die Gott ist,
nur in rätselhaften Umrissen, bruchstückhaft,
facettenhaft, abhängig von unserem ganz bestimmten
Standpunkt und Zeitpunkt. Ja, auch die Christenheit ist »in via«,
auf dem Weg: Ecclesia peregrinans, homines viatores.
Und wir sind auf dem Weg nicht allein, sondern mit
Abermillionen anderer Menschen aus allen möglichen
Konfessionen und Religionen, die ihren eigenen Weg gehen,
aber mit denen wir je länger desto mehr in einem
Kommunikationsprozess stehen, wo man sich nicht um Mein
und Dein, meine Wahrheit – deine Wahrheit, streiten sollte;
wo man vielmehr, unendlich lernbereit, von der Wahrheit
der anderen aufnehmen und von seiner eigenen Wahrheit
neidlos mitteilen sollte. Wohin aber, wird mancher fragen,
wird das alles führen? Die Geschichte ist nach vorne offen,
und nach vorne offen ist auch der interreligiöse Dialog,
der, anders als der interkonfessionelle,
gerade erst begonnen hat ... Wie die Christologie,
Koranologie oder Buddhologie, wie die Kirche, die Umma,
der Sangha des Jahres 2087 aussehen wird, wer weiß das?
Sicher, was die Zukunft betrifft, ist nur das eine:
Am Ende sowohl des Menschenlebens wie des Weltenlaufs
werden nicht Buddhismus oder Hinduismus stehen,
aber auch nicht der Islam und nicht das Judentum.
Ja, am Ende steht auch nicht das Christentum.
Am Ende wird überhaupt keine Religion stehen,
sondern steht der eine Unaussprechliche selbst,
auf den alle Religion sich richtet, den auch die Christen
erst dann, wenn das Unvollkommene dem Vollkommenen weicht,
ganz so erkennen, wie sie selbst erkannt sind:
Die Wahrheit von Angesicht zu Angesicht.
Und am Ende steht so zwischen den Religionen
nicht mehr trennend ein Prophet oder ein Erleuchteter,
steht nicht Mohammed und nicht der Buddha.
Ja, auch der Christus Jesus, an den die Christen glauben,
steht hier nicht mehr trennend. Sondern er,
dem nach Paulus dann alle Mächte (auch der Tod)
unterworfen sind, »unterwirft sich« dann Gott,
damit Gott selbst — oder wie immer man ihn
im Osten nennen mag — wahrhaft nicht nur in allem,
sondern alles in allem sei. (1. Kor. 15,28)«
(Bemerkung: Küng spricht prophetisch. Es erinnert an P. Teilhard de Chardin vor 40 Jahren. Wir stehen wohl wirklich erst am Anfang. Eben waren wir noch mit den Füßen im Schlamm oder auf Bäumen. Wie hohl ist es, ein Gottesbild festzuschreiben, wenn die Evolution noch Milliarden Jahre dauern wird.)
3
Glück
H. Hesse
mit 72 Jahren
Unter Glück verstehe ich etwas ganz Objektives,
nämlich die Ganzheit selbst, das zeitlose Sein,
die ewige Musik der Welt, das, was andre etwa die
Harmonie der Sphären oder das Lächeln Gottes genannt haben.
Dieser Inbegriff, diese unendliche Musik,
diese voll tönende und golden glänzende Ewigkeit
ist reine und vollkommene Gegenwart, sie kennt keine Zeit,
keine Geschichte, kein Vorher, kein Nachher.
Ewig leuchtet und lacht das Antlitz der Welt,
während Menschen, Generationen, Völker,
Reiche aufsteigen, blühen und wieder in den Schatten
und das Nichts hinabsinken. Ewig musiziert das Leben,
ewig tanzt es seinen Reigen, und was uns Vergänglichen,
Gefährdeten und Hinfälligen dennoch an Freude, an Trost,
an Lachenkönnen etwa zugeteilt wird, ist Glanz von dort,
ist ein Auge voll Licht, ein Ohr voll Musik. [ ...] Atmen
in vollkommener Gegenwart, Mitsingen im Chor der Sphären,
Mittanzen im Reigen der Welt,
Mitlachen im ewigen Lachen Gottes,
das ist unsere Teilhabe am Glück.
(Bemerkung: Eher Glückseligkeit als Glück, radikal extrapoliert, der i-Punkt. M. E. ist das Spiritualität.)
4
Lebendigkeit
Dachsel
modifiziert K. P.
Jesus fragt die Menschen:
Was tretet ihr an mit eurem Körbchen voller Verdienste,
die klein sind wie Haselnüsse und hohl?
Was wollt ihr mit euren Taschen voller Tugenden,
zu denen ihr gekommen seid aus Angst oder durch Dressur?
Habe ich euch nicht einen neuen Geist
und ein neues Herz gegeben?
Das Leben in Fülle sollt ihr haben!
Das also will ich von euch wissen?
Habt ihr die anderen
angesteckt mit Leben,
so wie ich euch?
(Bemerkung: Was Jesus wirklich gewollt hat, liegt immer noch etwas im Nebel.)
5
Sprüche
◙ Religösität = Transzendenz – Bezug,
Spiritualität = Transzendenz – Vollzug.
◙ Spiritualität ist Pflege der Gottverbundenheit im Alltag. Verdammt anspruchsvoll!
◙ Spirituelle sind nicht weltflüchtig, sondern welttüchtig: Buddhistisch: Vor der Erleuchtung: Holz hacken und Wasser holen. Nach der Erleuchtung: Holz hacken und Wasser holen.
◙ Was kümmerte uns der letzte Grund, wenn dieser – die Transzendenz – sich nicht in der Immanenz auswirkte? Der Alltag als Haupt-Trainingsort! Die religiöse Frage beginnt nicht hinter der Wirklichkeit, sondern mitten in ihr (K. P.).
◙ Spirituellen Bypass: Vor lauter Jenseits – Schwärmerei überspringt man das Diesseits. Bitte keine lähmende Vertröstung! Spiritualität soll nicht Opium, sondern Dynamit zur Lebensbewältigung sein. Übel also sind die bigotten „Raketen – Christen“, die die Erde nur als lästiges Durchgangsstadium, als Wartesaal der Ewigkeit oder als Abschussrampe für ihre Himmelfahrt betrachten.
◙ Mit der Sehnsucht fängt alles an: Dem Tierreich entsprungen, mit dem Wagnis der Bewusstheit ausgestattet, schaut der Mensch sich heimlich und scheu nach einem Ja des Seindürfens um (M. Buber).
◙ Nur wo die Sehnsucht ist, ist wirkliches Leben. Nur dort, wo du dich deiner Sehnsucht stellst, bist du auf der Spur des Lebens. Nur dort entdeckst du deine Lebendigkeit (A. Grün).
◙ Die Winde der Gnade wehen immer; es liegt an uns, die Segel zu setzen (Rama Krishna).
◙ Alles, was blüht, ist Gott (Luise Rinser). Der Spirituelle fühlt das.
◙ Auf dem spirituellen Weg geht es nur lahmarschig voran – ist das schlimm? Nein, wenn das Suchen spannender als das Finden ist und wenn Vorankommen schöner als Ankommen ist (K. P.).
◙ Persönlichkeitsentwicklung und spirituelle Reifung laufen ineinander: Gott ist der Partner unserer intimsten Selbstgespräche (V. Frankl).
◙ Never forget: Das Göttliche bleibt das Unbekannte: Man kann die Gottheit Gottes immer nur umkreisen wie einen sehr hohen Berg, den man von allen Seiten angehen muss, ohne je auf den Gipfel zu gelangen (H. Zahnt).
◙ Die Wildwiesen des Glaubens sind mir lieber als gepflegte Monokulturen (W. Schmidt).
Wer glaubt, dass er ein Christ wird, wenn er in die Kirche geht, irrt. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in die Garage geht (A. Schweitzer). Das Spirituelle ist das Authentischste der Religiosität.
◙ Denkt nicht, der Sammler dieser Sprüche sei besonders spirituell. Ich bin Theoretiker, der an der Diskrepanz zur Alltagspraxis leidet. Immerhin setze ich den letzten Spruch um:
◙ Dum spiro, spero (Lat.) = Solange ich atme, hoffe ich.
So long, bis zum nächsten Zyklus, der Pünder