Glück ?!?
Die Frage nach dem rechten,
glücklichen Leben ist die einzige,
die das Denken wirklich lohnt.
R. Musil
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Lebenskunst und Glück
K. P.
Alle wollen glücklich sein – ausnahmslos.
Es ist eine anthropologische Konstante.
Seit vier Jahrzehnten durchforste ich mit nicht nachlassender
Begeisterung die Literatur zu dem Thema. Ich las nur 10 % –
immerhin 200 Bücher von über 2000. Ich veröffentlichte
zwei und werde nochmal eines versuchen, weil das Thema
unerschöpflich ist und sich hartnäckig jeder Bemächtigung
entzieht. Meine Brüder witzelten, es sei doch genug zum
Thema geschrieben worden und meine Auflage
werde nur zwei sein: Das Manuskript und seine Kopie.
Ich antwortete: Um einen hohen Turm zu bauen,
muss man lange am Fundament verweilen.
Das Thema ist verflixt schwer. Der Mensch ist zu nichts
schwerer zu bringen als zu seinem Glück (H. Hesse).
Allmählich komme ich zu einem handfesten Fazit oder
vorsichtiger zu meiner momentanen Arbeitshypothese.
Die meisten Autoren relativieren zunächst mal das
Mainstream-Glück und knacken Irrtümer und Vorurteile:
Die Trinität des Scheinglücks besteht aus
Geld, Ruhm und Schönheit:
Geld
Glück und Geld korrelieren nur bis 3000 €, darüber nur
noch erstaunlich wenig. Wenn dem nicht so wäre, dann wären
ja alle Reiche glücklich, was aber bei weitem nicht der Fall ist.
Onassis: Wir Reichen sind Arme mit viel Geld.
Es ist nice to have, aber es ist nicht das Entscheidende.
Der Sprung also von 2000 nach 4000 € netto monatlich
macht nicht doppelt so glücklich, sondern vielleicht
10 % glücklicher. Lottogewinner sind nach überraschend
kurzer Zeit wieder so (un)glücklich wie vorher,
obwohl noch die halbe Kohle da ist. Natürlich darf man
trotzdem sagen: Wenn schon unglücklich, dann lieber mit Geld.
Erfolg und Ruhm
Wohin geht es, wenn man ganz oben steht?
Nur noch abwärts. Lorbeer ist ein schnell welkendes Kraut.
Viel beglückender und wertvoller ist es, moderaten Erfolg
über Jahrzehnte zu halten und dabei kreativ zu bleiben
und Flow-Zustände zu genießen.
Schönheit
Wer sich hierüber definiert – Frauen eher als Männer,
hat in der zweiten Lebenshälfte ziemlich schlechte Karten:
Nach zweimal Liften befindet sich die Wangenhaut hinter
den Ohren, trotzdem wird die Haut weiter runzelig –
die Metamorphose zur Trockenpflaume
lässt sich nicht aufhalten, höchstens bremsen.
Natürlich soll man das Altern aufschieben dürfen,
aber bitte geschmeidig und nicht verbissen.
Was ist Lebenskunst und Glück denn dann?
Die Big Five des guten Lebens sind nach meiner
jetzigen Einschätzung – denn ein Adoleszenter
sieht es anders als ich alter 65-Jähriger:
1 Das Gold in der Seele
Glück ist das Gold in der Seele, weniger die Kohle im
Portemonnaie. Persönlichkeitsentwicklung (=PE) ist wichtiger
als äußere Bedingungen im Sinne hochgetrimmten Wohlstands.
Statt diesen weiter aufzublähen, erblühe man innen.
Hyperkonsum ist nur ein Seifenblasenglück und kann
– nein: wird – weltweit sogar unsere Lebensgrundlagen
zerstören. Dass sich Glück also wirklich einstellt,
hängt davon ab, ob es auf einen gut bereiteten Boden fällt.
Dieser liegt eher im Sein als im Haben. Es sind die inneren
Einstellungen, die mit der Persönlichkeit korrelieren und
mühsam geistig errungen werden wollen. Sie bilden den Humus,
durch den Glück als solches voll empfunden wird.
Woraus besteht das „Seelengold“, das als
Hintergrund-Ressource wirkt?
Es lässt sich in drei Bereiche aufdröseln – die „gute“ Trinität –
seelische Gesundheit, Menschlichkeit und Spiritualität.
Diese drei Bereiche bedingen sich gegenseitig und sind
ineinander verschachtelt: Obwohl ich der K. P., der
„komprimiert-prägnant“ bin, muss ich hier ausführlicher werden,
weil meines Ermessens das Seelengold als Hintergrund-
Ressource über zwei Drittel der Lebenskunst ausmachen.
◙ Seelische Gesundheit
Ihr Kernstück ist das Selbstwertgefühl: Es ist unmöglich,
glücklich zu sein, wenn man sich meterlang zum Halse
heraushängt. Seneca: Glück ist die Harmonie der Seele
mit sich selbst. Es geht also um das Selbst-Verhältnis:
Optimal ist Selbstfreundschaft. Das ist überhaupt nicht
selbstverständlich, denn viele können sich nicht leiden.
Ca. ein Drittel hatte bei problematischen Eltern eine
harte Kindheit und damit schwierige Startbedingungen.
Dieses Drittel ist als spezielle Kategorie zu sehen.
Der Weg zum Glück geht am Ufer der Nachreifung entlang:
Die Hintertür zum Glück ist nicht leicht zu finden.
Möge der Gedanke Trost geben, dass die Eltern es ihrerseits
nicht besser konnten und dass es eine größere Kraft gibt,
die einen selbst ins Leben gerufen hat:
Die Eltern gaben die Gene, nicht aber die belebende Seele,
in der man sich zufällig als neues bewusstes Ich vorfindet.
Woraus besteht seelische Gesundheit noch?
Meines Ermessens und mit ganz einfachen Worten:
Man muss irgendwie wach werden:
Der Fundamentaltrend Achtsamkeit ist richtig:
Man arbeite an seiner Autonomie, suche sein Wesen
und sammele reichlich Selbsterfahrung, denn ohne Spiegelung
durch andere bleibt man sich fremd. Typologien wie z. B. das
Enneagramm (siehe obere Menüpunkte) können enorm
hilfreich sein. Das Enneagramm ist eine dynamische Typologie,
die einen Entwicklungskorridor anzugeben versucht,
in dem man seine besten Glücks-Chancen hat.
Ziel ist also die Entwicklung innerhalb seines spezifischen
Musters. Wer ungefähr den Übergang von der mittleren zur
oberen Reifestufe erreicht hat (bitte keinen Leistungsdruck
oder Optimierungswahn), zeigt eine relativ stabile Heiterkeit
und Liebesfähigkeit – das ist schon eine Hochform von
Lebenskunst! Sodann ist Glück enorm subjektiv:
Wir ticken nicht gleich – sogar radikal unterschiedlich
sind wir in Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln.
Es gilt, seine ureigenen Bedürfnisse zu kennen,
sonst lebt man an ihnen vorbei und tut nur, was die anderen
wollen oder was der tumbe Mainstream tut.
Die Grundfragen sind: Wer bin ich und was will ich jenseits
aller Dressur durch Eltern und medialer Gleichschaltung?
Die seelische Entwicklung hört nie auf, sondern endet
auf dem Sterbebett.
Die längste Reise ist die Reise nach innen (D. Hammarskjöld).
Zu den genetischen Grundlagen euphorischer Zustände
ist der relativ neue Begriff des Glücksfixpunktes wichtig,
der auf die happiness-twin-study von D. Lykken zurückgeht:
Er untersuchte 1500 eineiige Zwillinge, die trotz verschiedener
sozialer Milieus (Trennung durch außergewöhnliche Umstände)
verblüffend ähnliche Stimmungslagen zeigten.
D. h. unter Normalbedingungen pendelt sich jeder Mensch
auf sein individuelles Stimmungs-Niveau ein.
Wären dann alle Glücksanstrengungen nutzlos? Nein!
Glück ist mehr als das vererbte biochemische
Neurotransmitter-Bukett. Die biologische Basis lässt sich
durch geistig-seelischen Reichtum positiv modifizieren:
Schwerblütige Naturen können geheime Sternstunden haben,
an die flottlebige Frohnaturen nur schwer herankommen.
Geistig-seelischer Reichtum – wo kommt der denn her?
Bildung ist die Antwort. Sie ist von der Ausbildung
abzugrenzen. Schön, wer vielen Spielarten der Kultur
etwas abgewinnen kann. Nichts wissen ist nicht schlimm,
schlimm ist nur, nichts wissen wollen. Ich unterscheide nur
zwei Menschenrassen, wie der Künstler E. Barlach:
Die geistige und die ungeistige. Ohne bewohntes
Oberstübchen bleiben wir dem Tierreich verhaftet und
bleiben im animalischen Egozentrismus kleben.
Wir sind von Natur aus kulturfähig. Ob dieses Potential
Pflicht ist (oder nur Kür), kann ich noch nicht gut begründen.
Zur Bildung als Schlüsselressource siehe den fundamentalen
Menüpunkt Bildung weiter oben.
Intuition: Beim seelisch Gesunden befinden sich Denken
und Fühlen in Balance. Beides sind Wahrheitsinstrumente!
Ausschließliches Wissen ist zwar schön kristallklar und gut
technisch nutzbar, aber es ist blind für größere Zusammenhänge.
Man sieht nur mit dem Herzen gut… (A. de Saint-Exupéry).
Mit ausschließlichem Fühlen mag das Herz am
richtigen Fleck sein, aber man hat nichts zu essen.
Es lebe also die Kombination. Fließende Beziehungen
mögen herrschen zwischen beiden Bereichen.
Der Gipfel ist die Intuition. Alle beschwören ihre Bedeutung,
aber keiner versteht, was sie ist. Es lässt sich nicht machen,
man kann sich nur dafür öffnen. Kommt Intuition nun von
innen oder von oben? Hängt sie mit Inspiration zusammen?
Nun noch ein kollektiver Aspekt: Wie sieht es bei uns
Deutschen aus? Im Ranking schneiden wir schwach ab.
Alpenländer und Skandinavien sind da besser. Wieso gilt
Deutschland als Glücks-Entwicklungsland?
Eigentlich wohnen wir in einem IS-Staat, d. h. Insel
der Seligen: Wir haben alles zum Glück bis auf das Gefühl,
wirklich glücklich zu sein. Ist es unsere Mentalität
der „German Angst“. Das glauben nicht wenige Soziologen.
Wir sind statistisch-durchschnittlich ein bisschen schisserig,
pessimistisch und misstrauisch. Jammern wir alle zu viel?
Ein Pathologe obduzierte Unfallopfer: Nur bei deutschen
Unfallopfern fand er einen speziellen Hirnlappen
– den Jammerlappen. Und wir haben noch – etwas mehr
als andere Länder – die zwei Weltkriege in den Knochen.
Nach den Erkenntnissen der systemischen Psychologie haben
wir das noch nicht ausgemendelt
(bearbeitet, betrauert, bewältigt).
◙ Menschlichkeit
Das ist die moralisch-ethische Dimension.
Ein böser Mensch ist niemals glücklich, auch wenn er
Glück hat (Menander). Arschl… können zwar Lust und
Vergnügen haben, aber sind nicht nachhaltig glücklich.
Geben und Nehmen mögen in die Balance kommen.
Für die Ethik reicht eigentlich – so der Dalai Lama –
die „Goldene Regel“, der Rest der Ethik ist nur Kommentar dazu.
Gibt unsere biologische Ausstattung das her?
Jüngere Untersuchungen belegen: Höhere Säuger sind
ursprünglich auf Kooperation und Potenzialentfaltung angelegt
und die Spielarten der Destruktivität resultieren eher aus
einer Frustration dieser sozialen Anlagen. Das Böse also als
Folge gescheiterten Wohlwollens. Füreinander fühlt sich
wirklich besser an als gegeneinander – wie schade,
dass wir das so selten erleben, dass wir es schon fast für
unmöglich halten: Im Team etwas zu erreichen,
ist ein seltenes Glück geworden. Meist wird das Gute getan,
um Strafe zu vermeiden und um gut angesehen zu werden.
Wirkliche Güte zeigt sich in dem, was man tut, wenn
keiner zusieht – der Rest ist Marketing. Das Glück von
Menschlichkeit und Moral wird durch ein Beziehungsnetz
katalysiert, in dem viel inspirierender Erfahrungsaustausch
stattfindet. Das Beziehungsnetz ist dann besonders fruchtbar,
wenn es von Wohlwollen und Resonanz getragen wird.
Das Durchbrechen der spontanen Selbstbevorzugung
(nettes Wort für Egoismus) wird auch Selbsttranszendenz
genannt, die durchaus noch im eigenen Glücksverlangen
gründen kann: Freude machen kann Freude machen
(mein schönstes Wortspiel). Nun denke bitte niemand,
ich hätte das umgesetzt. Auch der Pünder ist ein
Durchschnitts-Sünder mit sattem Schatten.
Wie wichtig ist es doch, ihn zu sehen und sich dennoch
zu mögen. Daher sind die wirklich guten Freunde diejenigen,
die unseren Schatten kennen und trotzdem zu uns halten.
(Der Schatten kommt nochmal beim Menüpunkt Liebe zur
Sprache.) Wer Böses spürt, bei sich oder anderen,
möge sich angesprochen fühlen und Zivilcourage zeigen:
Für den Triumph des Bösen reicht es leider, dass „die Guten“
untätig bleiben. Da das Gewissen flüstert, muss man gut
hinhören. So soll es nicht sein: Sein Gewissen war rein,
er benutzte es nie (S. Lec). Die ganz radikale Motivation
zum Guten kommt vermutlich von ganz oben:
Spirituelle glauben an die „Gutheit des Guten“,
wodurch sie ihren animalischen Egozentrismus besser
überwinden können. Sie spüren Segen von oben
und geben ihn weiter.
◙ Spiritualität
Spiritualität ist nicht totzukriegen – es ist die stärkste
Hintergrundressource! Es ist gut belegt, dass gläubige
Menschen glücklicher sind – meist, nicht immer.
Der Glaube an einen letzten Grund ist die Kraft, aus der
sich das Leben untergründig nährt.
Existentieller Zweifel ist deshalb so entsetzlich,
weil alles in seinen Sog gerät. Glaube als Exzess der Hoffnung
ist erkenntnistheoretisch wackelig: Er ist immer vom
Zweifel umzingelt. Die Frage nach dem letzten Grund
entzündet sich regelmäßig, wenn man über den Tod
nachdenkt oder ihn bei anderen erlebt: Krepieren wir ins Nichts?
In der Tiefe unserer Seele haben wir die Sehnsucht,
absolut und unverlierbar geliebt und aufgehoben zu sein.
Die Hardliner geben das nicht zu – man will ja kein Weichei sein.
Zu glauben ist wahrlich ein kühner Sprung:
Glaube ist das Sich-Loslassen ins unbegreifliche
Geheimnis (K. Rahner). Den Zweiflern empfehle ich B. Pascal:
Mit einem Glauben hat man nichts zu verlieren,
aber kann alles gewinnen – und wenn man irrte,
war es die beste Illusion.
Zwischenfazit: Alle Glücklichen sind reiche,
komplexe Persönlichkeiten, die in diesen drei Bereichen
(Psyche, Humanität und Spiritualität) üppig ausgestattet sind.
Die starke Betonung der inneren Einstellung braucht
nicht bedeuten, dass äußere Umstände nicht auch
optimiert werden sollten, aber nicht verbissen,
sondern geschmeidig unter Angekoppelt-Bleiben
an das Seelengold. Hier möchte ich das Kombinationsmodell
von H. Ernst (Chefredakteur von „Psychologie heute“)
erwähnen, der als praktische Lebenskunstregel vorschlägt:
Gute Einstellungen werden kombiniert mit erfreulichen
Vergnügungen aller Art. M. a. W.: Lebt das Leben bis zum
Anschlag, aber nicht gierig, fanatisch, hedonistisch, sondern
eingebettet in geistig-seelischen Reichtum (= Seelengold).
2 Optimismus
als Bereitschaft zu positiven Erfahrungen fehlt in keinem
Konzept zum guten Leben. Die beste Lebensphilosophie
besteht aus zwei Buchstaben: Ja! Aus einem verzagten
Arsch kann kein fröhlicher Furz kommen (M. Luther).
Man bewältigt das Leben lächelnd oder gar nicht
(chines. Sprichwort). Die Feuerprobe des Optimismus
ist der tägliche Ärger: Humor ist einer der besten
Psychoregulations-Methoden. Beim Lachen springt die Seele
in ihren Gleichgewichtszustand zurück. Positives Denken ist
mir etwas zu oberflächlich: Dem Lack fehlt die Grundierung.
Mit Grundierung ist es einen Versuch wert:
Ein erzwungenes Lächeln kann tatsächlich ein echtes einleiten.
Wenn man etwas Spaß simuliert, kann man versehentlich
auch welchen haben. (Gilt besonders für die
Enneagramm-Muster 1, 4 und 6). Der Optimismus sollte ein
realistischer Optimismus zu sein.
Man kann Unangenehmes sehen, ohne sich ihm zu unterwerfen.
In abergläubisches Denken sollten wir nicht mehr zurückfallen.
Natürlich bringen schwarze Katzen regelmäßig Unglück,
aber das gilt nur für Mäuse. Glauben wir weiterhin an die
sanfte Gewalt der Vernunft und die Herrschaft des besseren
Argumentes (bei gesunder Intuition). Die positive
Lebenseinstellung zeigt sich als Fähigkeit zu Lust und Freude.
Das ist nicht das gleiche: Lust hält sich meist nur für die
Dauer der Lust. Sie lässt sich leicht herstellen,
nutzt sich aber ab. Freude hallt nach, ist nachhaltig,
aber leider schwer zu erringen – sie korreliert mit der PE.
Lust, Spaß, Vergnügen verhalten sich kompensatorisch
zur Freude. Ein Sprichwort sagt: Nach Vergnügen rennt,
wer keine Freude kennt. Was soll man anstreben,
Lust oder Freude? Fangfrage – natürlich beides!
Der Optimist hat Zugang zu beiden Bereichen.
Das ergibt Begeisterung, Enthusiasmus.
Hierbei blüht die Persönlichkeit am schnellsten.
3 Liebe
(Eros-dieses herausfordernde Minenfeld- ist auch ein extra Menüpunkt)
Wo bleibt sie? Hier ist sie. Warum steht sie nicht an
erster Stelle? Weil sie so oft scheitert! Sie hat zwar das
größte Glückspotenzial, aber gleichzeitig das höchste
Unglückpotenzial: Es kann der Himmel oder die Hölle sein.
Anfangs, in der Hormonphase, geht es allen Paaren
gut mit freundlicher Unterstützung von Testosteron
und Oxytocin. Nach der Idealisierungsphase jedoch
werden die Macken deutlicher: Im ersten Jahr duftete alles
wie Pinienwälder, doch nun tritt man immer öfter in Minenfelder.
Früher nannte man seinen Partner noch Mäuslein oder Entlein,
aber im Laufe der Jahre werden die Tiere immer größer:
Aus Mäuslein wird Ratte und aus Entlein wird Gans.
Was ist da los? Es ist ein Trauerspiel zu sehen,
wie zwei Menschen, die sich einmal sehr liebten,
nebeneinander erlöschen und vor sich hin kompostieren.
Neulich las ich einen starken Satz: Die Ehe dient eher
zur Bewusstwerdung als zum Glück. Die Intimbeziehung
ist quasi der Turbolader der PE: Besser als jeder
Psychotherapeut sieht nämlich der Partner
die Macken des anderen. Aber wie geht man damit um?
Sich gegenseitig mit Druck umkrempeln, funktioniert nicht –
das Gute lässt sich nicht hervorschimpfen, sondern
nur hervorlieben. In wahnwitzigem Wohlwollen versuchen
beide, ein Umfeld zu schaffen, dass der andere sich
aus sich selbst heraus verändert. Psychologisch heißt das,
dass beide ihren Schatten sehen, annehmen und transformieren.
Mit dem Schatten sind die weniger charmanten Eigenschaften
von sich gemeint, für die jeder etwas blind ist.
Da die Schattenblindheit die Ursache der
Beziehungsprobleme und der Inbegriff des moralischen
Problems (Jung) ist, gilt es, ihn ins Licht zu heben
und die dunklen Strömungen im Laufe der Jahre
allmählich aufzuhellen. Jeder hat einen Schatten!
Selbst unter feinsten Häusern verlaufen Abwasserkanäle.
Wer glaubt, keinen Schatten zu haben, um den steht es
besonders schlimm: Der Schatten hat ihn!
B. Brecht sagte recht treffend: Das Schlimmste ist nicht:
Fehler haben, nicht einmal sie nicht bekämpfen ist schlimm.
Schlimm ist, sie zu verstecken. Wer seinen Schatten kennt
und trotz seiner Hässlichkeit mit ihm wohlwollend und
nachsichtig umgeht, wird auch bei anderen milder
und toleranter. Wer ihn dagegen weiter verdrängt
und sich nur mit seiner glanzvollen Lichtseite identifiziert,
der projiziert seinen Schatten unbewusst auf andere,
besonders auf seinen Partner und die Beziehung
ist sehr gefährdet. Unbedingt beide Partner mögen
ihre Persönlichkeit zu entwickeln versuchen, denn zum
Scheitern genügt einer. Selbst die vorzüglichsten Menschen
müssen diese Konfliktphase überstehen. Danach können
Beziehungen oder Ehen wirklich gut werden.
Ehe ist nicht die Abkürzung für errare humanum est,
sondern sie bleibt Ideal, auch wenn es selten erreicht wird.
In den LAP (=Lebensabschnitts-Partnerschaften) zögert man,
sein Bestes zu geben, sondern hält sich immer ein
Hintertürchen offen. Das LAP-Konzept halte ich für eine Folge
des übertriebenen Optimierungswahns, der praktisch immer in
einem Egozentrismus mündet. Die subtile Schönheit einer
Gemeinschafts-Identität, für die man gerne sein Ego
auch mal zurückstellt, wird nicht gesehen.
4 Umgang mit Zeit
(30-std-Arbeitswoche)
Der vielleicht größte äußere Fluch der modernen Gesellschaften
ist die Hetzerei: Was wir auch tun, wir tun es unter Zeitdruck.
Selbst die Nase wird mit Tempo geputzt. Wir haben also zwei
riesige Unglücksgruppen: Die Arbeitslosen langweilen sich
und verblöden vor Fernseher, PC und Handy und die
Arbeitenden haben so viele Überstunden, dass sie sich selber
abhandenkommen und ins Burnout geraten.
Man kann auch vor lauter Fleiß blödsinnig werden (O. Wilde).
Wenn Maschinen und IT immer effizienter werden, entsteht
bald eine strukturelle Arbeitslosigkeit, die nur sinnvoll mit der
30-std-Arbeitswoche beantwortet werden kann. (Niko Paech
propagiert in seiner Postwachstums-Ökonomie sogar 20).
Der Lebensstandard mag dann vermutlich sinken,
aber die Lebensqualität wird steigen, wenn Downshiften,
Simplify und Suffizienz umgesetzt würden. Das Shopping-Leben
entpuppt sich mehr und mehr als Seifenblasenglück,
welches im Konsum-Burnout mündet und zudem unseren
Planeten ruiniert. 30-std-Arbeitswoche würde bedeuten:
5 Tage à 6 std, also z. B. von 8 bis 14 Uhr, mit nur kurzen,
kleinen Päuschen. Anschließend zuhause Essen und Nickerchen.
Dann endlich kann das Leben auf eigene Faust beginnen!
Natürlich kann jeder, der im Erwerbs-Beruf voll motiviert ist
(nach Umfragen sind das leider nur 15 %) gerne mehr als 30
Wochen-Stunden arbeiten. Nur intrinsisch, d. h. von innen
motivierte Tätigkeiten bewirken die Begeisterung, die Gehirn
und Persönlichkeit wachsen lassen. Reiner Gelderwerb ist
Notdurft, das schöpferische Werk, die Lebensaufgabe
bedeuten Freiheit. Euphorische Zustände sind instabil –
aber als stabilste Glücksart gilt die intrinsisch motivierte Arbeit:
Flow-Zustände über Jahre! Nur eins beglückt zu jeder Frist:
Zu schaffen, wozu man geschaffen ist (P. Heyse).
Ich definiere den gelungenen, glücklichen Tag als denjenigen,
in dem nach den 6 Stunden zielgerichteter, spezialisierter
Arbeit noch Luft für ein körperliches und ein geistiges
Hobby besteht. Beides kostet Zeit und Kraft,
die bei einer 40-50 (von 60 ganz zu schweigen)
Wochen-Arbeits-Stunden nicht zur Verfügung stehen.
Wer an einem kreativen Werk arbeitet, ist auf Muße
angewiesen: Denn nur dann kommt die Muse!
Hetzerei zerstört das Talent.
Drei Topsprüche zum Zeitmanagement:
Man braucht Schnelligkeit, um sich
Langsamkeit leisten zu können (K. P.).
Time is honey!
Mische Tun mit Nichtstun – und du wirst nicht verrückt!
(russisch). Siehe den fundamentalen Menüpunkt Zeit!
5 Alltag und Zufriedenheit
Der Alltag ist extrem wichtig, weil er den größten Teil
der Zeit ausmacht! Statt Großglücksjagd sollten die kleinen
Glücksspender kultiviert werden. Sich über Highlights zu freuen,
das kann jeder. Der Lebenskünstler jedoch schafft dies auch
bei den Kleinigkeiten des Alltags. Es ist also ein großer Fehler,
sich Glück nur als XXL-Glück vorzustellen.
Es gilt, aus dem Schwarzbrot des Alltags einen wohl
garnierten Toast zu machen. Wie glücklich ist der, der sich
schon freuen kann, wenn ihm im Park die Enten
nicht davonlaufen. Wie heißt die dazu passende
Hintergrunds-Einstellung? Zufriedenheit – der Zentralbegriff
des kognitiven Glücks! Also nicht zu viel wollen!
Zufriedenheit ist unspektakulär, aber herrlich stabil.
Wem genug nicht genug ist, der hat nie genug!
(Natürlich gibt es auch eine sanfte, gesunde Unzufriedenheit,
die zu neuen Ufern führt.) Mit der Zufriedenheit hängt
das so genannte Hedonistische Paradox zusammen:
Es besagt: Obwohl man Glück will, darf man es nicht zu
forciert intendieren. Wer das Glück jagt, verjagt es!
Wir kennen alle den Spruch: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Noch wichtiger ist: Der Glücksjäger ist seines
Glückes Störenfried (K. P.). Man möge sich dem Glück
wie einem Eichhörnchen annähern: Anlocken.
Die Haltung hat etwas Geschmeidiges, Empfangendes.
Und was ist mit dem ganz normalen Alltags-Ärger?
Es ist doch immer irgendein Scheiß .
Die Lebenskünstler bleiben trotzdem cool.
Es kommt gar nicht in Frage, dass das popelige Alltags-Chaos
und die kleinen Beschissenheiten des
Lebens die große Lebensfreude zerstören.
Das große Unglück
rechtfertigt eine eigene Darstellung.
Nur dies: Shit happens! Das Leben kocht jeden weich.
Jeder wird mal zu Hiob. Natürlich möge jeder dem Unglück
auszuweichen versuchen. Aber man darf sich nicht wundern,
wenn das nicht lebenslänglich klappt. Und wenn es einen
dann einmal unausweichlich trifft, dann gilt: Annahme:
Der beste Weg ´raus ist mitten durch. Trauer ist gut,
denn sie zehrt sich selbst auf. Großes Leid bleibt scheußlich,
doch wenn es bewältigt wurde, kann es größere Kräfte
freisetzen als Dauerwohlbefinden: PTG = post traumatic grouth.
Ausblick
Das Jammervolle an Homo Sapiens ist die Diskrepanz
zwischen Potenzial und Wirklichkeit. Wie sehr leben wir
doch unter unserer Bestform! Bin ich zu ungeduldig?
Vielleicht. Bewusstsein ist evolutiv sehr jung.
Vorher gab es nur Fressen und Gefressen-Werden.
Wir sind mit den Füßen noch im Schlamm, aber mit
dem Kopf schon in den Sternen (E. Lasker-Schüler).
Als erstes Wesen haben wir begonnen, der Schöpfung
etwas abzugewinnen: Ein Lachen, ein Frohlocken: Glück!
Das ist groß und viel besser als Abwärtsvergleiche:
Durften wir es mit Darwin noch mit dem Affen halten,
müssen wir uns in der Genforschung gegen Fadenwürmer
und Pantoffeltierchen behaupten. Glück und Lebenskunst
haben es verdient, höher aufgehängt zu werden in Erziehung,
Bildung, Gesellschaft und Politik. Unbedingt sollte es schon
in Schulen gelehrt werden, damit man schon früher
im Leben etwas davon hat.
Fazit
Vergesst ruhig alles, nur dies nicht:
Statt Koko PePe =
statt Kohle und Konsum Persönlichkeitsentwicklung
und Potenzialentfaltung – z. B. mit dem Enneagramm.
Die Sorge um die Seele wird nämlich in den
High-Tec-Leistungsgesellschaften entsetzlich vernachlässigt.
Im globalen Transformationsprozess werden m. E.
die Idee vom Guten Leben und das Enneagramm
(der Blick nach innen in die eigene Seele)
eine große Rolle spielen.