Alter
Das Alter ist besser als sein Ruf:
Tiefpunkt um die Wechseljahre.
Ab 70 (wenn man sich ans Altern gewöhnt hat) glücklicher denn je!
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Relevanz und Kernthesen
◙ Relevanz:
Jeder will lange leben, aber keiner will altern!
Dilemma! Denn wer nicht altern will, muss eben jung sterben!
Aber das ist doch wohl noch viel blöder!
◙ Kernthesen:
Dauer
Allein schon über die Dauer ist das Altern der
Besinnung wert, weil die Lebenserwartung um drei
„Bonus“-Jahrzehnte gestiegen ist. Dieser Lebensabschnitt ist
nun dreimal so lang wie Pubertät und Adoleszenz zusammen!
Es lebe die dritte Lebenshälfte! Das ist ein logischer Lapsus,
aber das klingt doch klasse! Die weiseste Reaktion darauf
ist Dank: Nur ein Dankender ist ein Befreiter.
Danken gilt als erstklassige "Glücks-Aktivität".
Glück
Das Alter ist besser als sein Ruf.
Das Stereotyp, Alte seien arm, einsam und gebrechlich
ist durch ein Kompetenzmodell des Alters abzulösen.
70-jährige sind signifikant glücklicher als im mittleren Alter
(verfluchte Hetzerei in der Rush-Hour des Lebens).
Gerontophobie = Angst vor dem Altern ist also unbegründet.
Es ist klug, junge Alte und alte Alte zu unterscheiden:
Junge Alte sind noch so fit, dass das Altern ein
„großes reiches Feld“ ist, das zur Lebenskunst prädestiniert ist.
Daher der Begriff „Bestager“. Was ist das beste Rezept,
alt zu werden? Gelungenes Lebenskunst-Training!
Immer mehr Untersuchungen bestätigen,
dass Glückliche länger leben. Wer geistig zufrieden
und seelisch froh ist, dessen Körper zieht mit.
Ein heiteres Gemüt verzögert das Gebrechlichwerden
zuverlässiger als diverse anti-aging-Mittel.
Sinnverlust wirkt schlimmer als Kraftverlust.
Gesundheit
Gesundheit ist das Schweigen des Körpers,
ab 50 spricht er und ab 70 wird er geschwätzig.
Aber: Altern lässt sich verzögern durch gute Ernährung
und regelmäßige Bewegung. Genussfähigkeit setzt einen
trainierten Körper voraus. Es gibt 65-jährige,
die so fit wie 50-jährige sind, oder schon so hinfällig
wie 80-jährige; die Schwankungsbreite
dieser Varianz beträgt also 30 Jahre!
Persönlichkeits-Entwicklung (=PE)
Ab 40 sollte man immer seltener auf sich selbst hereinfallen.
PE ist nicht mit der Adoleszens abgeschlossen, sondern kann
vom Potential her in der zweiten Lebenshälfte die größten
Sprünge machen. Alterstugenden nicht belächeln!
Weiß werden – weise werden.
Der Kluge ist nur scharfsinnig, der Weise tiefsinnig.
Sinnvolle, begeisternde Beschäftigung
Ruhestand ohne ein faszinierendes Hobby
oder Lebensaufgabe ist eine Katastrophe.
Selbsttranszendenz
Im Tod gibt man sein Ego ab (nicht das Selbst):
Man möge vor dem Sterben damit anfangen.
Dann stirbt es sich leichter. Dass das Selbst unabhängig
vom Körper bleibt, dürfen wir hoffen.
Todesnähe
Besser als den Tod zu verdrängen, ist es,
sich mit ihm anzufreunden.
Hallo Sensenmann, wann bin ich denn dran?
Am spannendsten die Frage:
Gehen wir zugrunde oder zum Grunde?
(Tod = nächster Menüpunkt. Aber nun lasst uns erst mal ordentlich altern!)
2
Das Alter
U. Schaffer
Das Alter ist die Zeit, in der alles zurückgefahren wird.
Die Begeisterung und Aufregung der Jugend sind
weniger geworden. Das Leben ist nicht mehr expansiv,
es scheint kleiner und weniger farbig zu sein.
Aber wäre es nicht möglich, gerade das Alter als
die ideale Zeit für die Achtsamkeit zu entdecken,
aus der dann die Dankbarkeit für die
Segnungen des Lebens entsteht?
Mit dieser Haltung wird das Leben spürbar dichter.
Dabei soll es nicht um eine neue Hektik gehen,
sondern um dieses stille Glühen auf das Leben zu.
Wir haben nicht nur Seelen, sondern wir sind Seelen,
die ergriffen werden wollen – von der Lebendigkeit
des äußeren Geschehens, aber gerade auch von der
schwer fassbaren inneren Welt.
Wir alle tragen eine Vielfalt in uns.
Sie setzt sich aus tausend Segnungen zusammen,
die in Form von Zuwendungen und Herausforderungen
des Lebens an uns herangetragen werden.
Nichts davon ist in sich schlecht, weil alles uns
lebendig macht, wenn wir es zulassen.
Das Alter kann dies besser schätzen als die Jugend.
Das Alter nimmt das Erlebte und bewegt es
in der Tiefe des Herzens.
3
Wenn ich mein Leben
noch einmal leben könnte
Jorge Luis Borges
(argentinischen Dichter)
Im nächsten Leben würde ich versuchen,
mehr Fehler zu machen.
Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde nicht so gesund leben.
Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen,
Sonnenuntergänge betrachten, mehr Bergsteigen,
mehr in Flüssen schwimmen.
Ich war einer dieser klugen Menschen,
die jede freie Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten;
freilich hatte ich auch Momente der Freude,
aber wenn ich noch einmal anfangen könnte,
würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls du es noch nicht weißt,
aus diesen besteht nämlich das Leben;
nur aus Augenblicken; vergiss nicht den jetzigen.
Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an
bis in den Spätherbst hinein barfuss gehen.
Und ich würde mehr mit Kindern spielen,
wenn ich das Leben noch vor mir hätte.
Aber sehen Sie...ich bin 85 Jahre alt
und weiß, dass ich bald sterben werde.
4
Meine Seele hat es eilig
Mario de Andrade
(brasilianischer Autor, ca. 1940)
Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt,
dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel Bonbons
gewonnen hat: die ersten isst sie mit Vergnügen,
aber als es merkt, dass nur noch wenige übrig sind,
begann es, sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen,
bei denen die Statuten, Regeln, Verfahren und internen
Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen,
dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen,
die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Besprechungen sein, in denen
aufgeblasene Egos aufmarschieren.
Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider, die versuchen,
Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Positionen,
Talente und Erfolge zu bemächtigen.
Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren.
Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile.
Ohne viele Süßigkeiten in der Packung.
Ich möchte mit Menschen leben, die sehr menschlich sind.
Menschen, die über ihre Fehler lachen können,
die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden.
Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen
und die nicht vor ihrer Verantwortung fliehen.
Die die menschliche Würde verteidigen und die nur an der
Seite der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.
Es ist das, was das Leben lebenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen,
die Herzen anderer zu berühren. Menschen,
die durch die harten Schläge des Lebens lernten,
durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen.
Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig,
mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich versuche, keine der Süßigkeiten, die mir noch bleiben,
zu verschwenden. Ich bin mir sicher,
dass sie köstlicher sein werden,
als die, die ich bereits gegessen habe.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen,
in Frieden mit mir, meinen Lieben und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt,
wenn du erkennst, dass du nur eins hast.
(Bemerkung: Mit der Zeit wird die Zeit immer kostbarer.)
5
Sprüche
◙ Es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.
◙ Nichts lässt einen so alt werden wie Glück (O. Wilde).
◙ Gib dem Leben nicht mehr Tage, sondern dem Tag mehr Leben.
◙ Wenn die Haut anfängt, Falten zu bekommen, möge die Seele anfangen, sich Flügel wachsen zu lassen.
◙ Wer seiner Jugend nachläuft, läuft dem Alter in die Arme (W. Millowitsch).
◙ Viele Menschen werden deshalb nicht 80, weil sie zu lange versuchen, vierzig zu bleiben (S. Dali).
◙ Das Leben behält einen Wert, solange man durch Liebe, Freundschaft, Empörung oder Mitgefühl am Leben der anderen teilnimmt (S. de Beauvoir).
◙ Man sieht Feuer in den Augen der Jungen, doch im Auge der Alten sieht man Licht (V. Hugo).
◙ Es muss gestorben werden, um Platz für neues Leben zu schaffen!
◙ Lasst nicht euer Gesicht, sondern euren Geist liften! (K. P.)
◙ Wer sich übt im Staunen-Können, im Sich-freuen-Können, wird im hohen Alter noch frisch sein (Platon).
◙ Man bleibt jung, solange man noch lernen, neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen kann
(M. v. Ebner-Eschenbach).
◙ Tief in der Seele liegt der Charakter, oft mit 50 Jahren noch zusammengerollt, aber immer sprungbereit. Und wieso helfen wir uns nicht auf die Sprünge? Weil wir keine Zeit und Besinnung haben: Wir müssen ja rödeln wie die Blöden, um Konsum-Schrott zu kaufen und den Planeten zu ruinieren (K. P.).
Böser Gerontozid: Ab 2020 dürfen Alte bei Rot über die Straße gehen, ab 2035 müssen sie es.
Herr Doktor, ich habe jeden Morgen um 6 Uhr Stuhlgang. – Na, das ist doch großartig, darum beneiden sie viele. – Nein, Herr Doktor, ich wache immer erst um 7 Uhr auf.
Wenn ich nicht einschlafen kann, zähle ich einfach bis 3. – Nur bis 3? – Manchmal auch bis halb 4.